4. Dezember 2024

Zwischen berechtigter Kritik und Verschwörungserzählung: Die EU im Fokus von Desinformation

Verschwörungserzählungen und gezielte Desinformation gehören zu den großen Herausforderungen für demokratische Gesellschaften. Auch die Europäische Union ist davon betroffen – insbesondere vor Wahlen, wenn Meinungsbildung eine zentrale Rolle spielt. Dabei ist es wichtig, sorgfältig zwischen berechtigter Kritik und unbegründeten oder bewusst irreführenden Behauptungen zu unterscheiden.

Die Entscheidungsprozesse innerhalb der EU sind komplex. Das macht sie anfällig für Vereinfachungen, Missverständnisse – und leider auch für gezielte Desinformationskampagnen. Manche Akteure nutzen diese Komplexität, um politische Kritik in verschwörungsideologische Erzählmuster zu verpacken. Doch nicht jede Kritik an der EU oder ihrer Politik ist automatisch eine Verschwörungserzählung. Gerade in einer demokratischen Ordnung muss es möglich sein, Entscheidungen infrage zu stellen, Positionen zu hinterfragen oder auch deutliche Kritik zu üben – das gehört zum Wesenskern einer offenen Debatte.

Verschwörungserzählungen beginnen dort, wo…
– Akteure systematisch als Teil eines geheimen Plans dargestellt werden
– Machtstrukturen undurchschaubar und allmächtig erscheinen sollen
– komplexe Zusammenhänge in einfache „Gut gegen Böse“-Narrative übersetzt werden
– Einzelne oder Gruppen zu Sündenböcken gemacht werden – oft ohne überprüfbare Belege

Ein bekanntes Beispiel: Die Behauptung, die EU sei ein „Zwangskonstrukt des Westens“, das von geheimen Eliten gesteuert werde. Diese Darstellung ignoriert die historische Entstehung der EU als Friedens- und Wirtschaftsprojekt nach dem Zweiten Weltkrieg – mit dem Ziel, enge wirtschaftliche Verflechtungen zwischen einst verfeindeten Staaten zu schaffen. Die Gründungsidee der EU war es gerade, weitere Kriege in Europa „nicht nur undenkbar, sondern wirtschaftlich unmöglich“ zu machen.

Aktuelle EU-Programme im Visier von Desinformation
Auch konkrete politische Programme wie der „Green Deal“ geraten ins Fadenkreuz. So wird im aktuellen EU-Wahlkampf beispielsweise behauptet, es handele sich dabei um einen „kommunistischen Plan zur Zerstörung des Lebensmittelsystems“. Solche Aussagen sind stark verkürzend, polemisierend – und entbehren faktischer Grundlage. Gleichzeitig zeigt dieses Beispiel: Kritik kann auch in problematische Narrative kippen, wenn sie nicht auf überprüfbaren Fakten, sondern auf emotionalisierenden Deutungen basiert.

Demokratie braucht kritische Öffentlichkeit – aber keine pauschale Verächtlichmachung
Es ist wichtig, zwischen berechtigter – auch scharfer – Kritik und tatsächlichen Verschwörungserzählungen zu unterscheiden. Wer jede Form von EU-Skepsis vorschnell als „Fake News“ oder „Verschwörung“ abtut, läuft Gefahr, legitime Debattenräume zu schließen. Umgekehrt darf demokratische Kritik nicht zum Deckmantel für Feindbilder und Desinformation werden. Diese Balance zu wahren, ist eine Herausforderung – gerade im digitalen Raum.

Was tut die EU gegen Desinformation?
– Die Europäische Kommission stellt auf ihren Webseiten Richtigstellungen zu weitverbreiteten Falschbehauptungen bereit.
– Seit 2020 verfolgt sie einen „Aktionsplan für Demokratie in Europa“, der die internationale Zusammenarbeit im Kampf gegen Desinformation stärkt.
– Mit dem Digital Services Act wurden digitale Plattformen verpflichtet, mehr Verantwortung für Inhalte zu übernehmen – insbesondere im Hinblick auf Desinformation.
– Mit der Anti-SLAPP-Richtlinie und dem geplanten Medienfreiheitsgesetz werden journalistische Arbeit und Medienvielfalt besser vor Einschüchterung und Zensur geschützt.

Medienkompetenz bleibt zentral
Letztlich kann kein Gesetz und keine Plattform allein verhindern, dass Falschinformationen oder verzerrte Narrative kursieren. Deshalb bleibt die Förderung von Medien- und Informationskompetenz eine Kernaufgabe – für jede und jeden Einzelnen. Dazu gehört auch die Fähigkeit, Kritik einzuordnen, Quellen zu prüfen und Erzählungen zu hinterfragen – ohne vorschnelle Urteile zu fällen.

Gerade im europäischen Kontext ist das Bewusstsein wichtig:
– Demokratische Kritik ist erwünscht – sie ist sogar unverzichtbar
– Die Grenze zur Desinformation verläuft dort, wo Fakten bewusst verzerrt, entkontextualisiert oder erfunden werden
– Eine offene Debatte lebt von der Vielfalt an Perspektiven – nicht von vereinfachenden Schuldzuweisungen

Die politische Bildung kann dabei helfen, diese Unterscheidungen sichtbar zu machen – im Sinne einer starken demokratischen Kultur, die Kritik nicht unterdrückt, sondern begründet diskutiert.

Quellen

https://www.bundeskanzleramt.gv.at/unser-europa-unsere-wahl/eu-facts/sicheres-europa.html

https://digital-strategy.ec.europa.eu/de/policies/online-disinformation

https://germany.representation.ec.europa.eu/nachrichten-und-veranstaltungen/faktencheck_de

https://www.europarl.europa.eu/news/en/press-room/20240308IPR19014/media-freedom-act-a-new-bill-to-protect-eu-journalists-and-press-freedom

https://digital-strategy.ec.europa.eu/en/policies/digital-services-act-package

zuletzt aktualisiert am 21. Mai 2025